…oder des Kaisers neue Kleider in der modernen Gesellschaft
Die Arbeitslosenzahlen sind jeden Monat für Meldungen gut. Und diese rituell anmutenden Meldungen zeigen Wirkung: Der, der einer unselbständigen Arbeit nachgeht übt sich in Demut und Bescheidenheit. Der, der eine unselbständige Arbeit sucht fühlt sich vielleicht alleingelassen – aber nicht allein. Und derjenige, der nur noch kurzarbeitet freut sich, dass er nicht schon zum Millionenheer der Unbenötigten gezählt wird.
Der Unternehmer hingegen bedauert, wenn er hochqualifizierte Leute entlassen muss um den maximal möglichen Profit sicher zu stellen, tut aber gut daran diesem Wirtschaftsprinzip zu folgen will er sich gegenüber seiner Konkurrenz bewähren.
Was mir erscheint wie im Märchen von „des Kaisers neue Kleider“ ist der Konsens, als wäre die Arbeitslosigkeit so etwas wie ein Ausrutscher in diesem Wirtschaftssystem. So als ginge es darum – und als bestünde hierzu eine Chance – die Arbeitslosigkeit zu reduzieren oder zumindest „einzudämmen“.
In Wahrheit ist doch sämtliches Bestreben der Unternehmen – ob groß ob klein – darauf gerichtet die gleiche Wertschöpfung mit immer weniger dazu nötiger Arbeit zu erzielen. Jede Verbesserung der Organisationsabläufe, wie sie in jedem Unternehmen täglich statt findet, bezweckt die nötige Arbeitsleistung zur Erzielung des gewünschten Ergebnisses zu reduzieren oder bei gleicher Arbeitsleistung ein besseres Ergebnis zu liefern. Für diese „Binsenwahrheit“ muss man weder Marxist sein, noch Ökonomie studiert haben.
Der technische Fortschritt hat sich im letzten Jahrzehnt vor allem in einer Produktionsautomatisierung bemerkbar gemacht und er wird in den nächsten Jahren in einer weiteren Ablaufoptimierung der vernetzten Geschäftsvorfälle über den Mittelstand bis zum Kleinbetrieb noch viel Arbeit – und damit Arbeitsplätze – überflüssig machen. Selbst wenn die globale Nachfrage immer mehr ansteigen würde, dann wäre eine Stagnation der Beschäftigung nur zu erreichen, wenn der Nachfrageanstieg größer wäre, als der Produktivitätszuwachs.
Eigentlich wäre es überhaupt kein Problem die gleiche Arbeit mit doppelt so vielen Menschen zu machen. Jeder von uns kennt vermutlich Beispiele für derart unorganisierte Betriebe, oder man denke einfach mal an die Zeit zurück, als man in den Büros noch mit Telex, Schreibmaschine und Karteikarten gearbeitet hat.
Ginge es darum Arbeitsplätze zu schaffen wäre es ein leichtes den Organisationsgrad wieder auf das Niveau von vor 30 Jahren zurück zu fahren. Aber jeder wird aufschreien: „Wer soll das bezahlen?“ und damit sind wir der Wahrheit schon ziemlich nahe. Wir sind hier – anders als in der ehemaligen DDR – nicht in einer Gesellschaft, die Beschäftigung zum Ziel hat. Unternehmen sind marktwirtschaftlich organisiert und bestrebt ihren Profit zu maximieren. Dies geht, indem sie Kosten senken: Der größte Kostenfaktor ist der Mensch, ob als Entwickler, Ingenieur, Hilfskraft oder Abteilungsleiter.
Ich kann auch nichts Schlechtes dabei finden mit immer weniger Aufwand die gleich guten Ergebnisse zu erzielen. Der technische Fortschritt per se ist kein Fluch, er ist eher ein Segen, betrachtet man die Gesellschaft als Ganzes. Die einseitige Verteilung der Vor- und Nachteile ist es, die mir zu denken gibt.
Wie kann es sein, dass dennoch alle Welt so tut, als ginge es in unserem Wirtschaftssystem um Beschäftigung?
Es scheint eine Art gesellschaftlichen Konsens darüber zu geben, dass es irgendwie Unanständig ist, die Wahrheit auszusprechen. Jeder tut so, als ginge es um Arbeitsplätze und arbeitet gleichzeitig daran Arbeitsplätze abzuschaffen.
Diese Verlogenheit empfinde ich als wirklich unanständig.
Wäre es nicht besser wir würden uns Gedanken darüber machen, wie wir den technischen Fortschritt nutzen um gesellschaftliche Ziele zu erreichen, anstatt seine Opfer in unserem jetzigen System zu beklagen?